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Picos de Europa, Spanien

Backpacking im schönsten Gebirge Spaniens: Picos de Europa ist ein Nationalpark im regnerischen Norden. Nelson und ich haben Zelt und Schlafsack gepackt, um die Picos auf unserer 7-tägigen Rundwanderung zu erkunden ohne dabei immer auf Schutzhütten angewiesen zu sein. Diese haben zwar im Oktober bis zum Saisonende noch geöffnet, liegen aber zum Teil weit auseinander, was die Flexibilität der Übernachtungen etwas einschränkt. Dafür sind sie trocken und oft beheizt und bewirtet. Auf den insgesamt 90km Strecke haben wir in Summe 6000 Höhenmeter zurückgelegt. Startpunkt war Las Arenas de Caborales – in Poncebos beginnt die Runde gegen den Uhrzeigersinn. Für die Wander-Nerds schreibe ich zu jedem Tag die Kilometer dazu. Auf der Karte sieht das so aus:

Doch zunächst besuchte ich Nelson, nachdem ich abends gelandet war, kurz vor Feierabend bei seiner Arbeit in einer Bar im Herzen von Madrid. Nach einer kurzen Nacht ging es dann am nächsten Morgen mit der Bahn nach Oviedo und von dort mit Bus und per Anhalter weiter nach Las Arenas. Dort gibt es übrigens nicht nur überall regionalen Käse zu kaufen, sondern auch Käsehöhlen zu besichtigen. Gesehen haben wir sie zwar nicht, dafür war der Weg ins Hostel noch zu lang, doch gerochen haben wir sie schon von Weitem.

Der erste Wandertag hat sogar relativ trocken begonnen, die ersten Kilometer war sogar mein barfuß-Optimismus noch vorhanden. Vom schmalen Weg mit steilem Abgrund zum Bachlauf im Tal gab es schon imposante Felsformationen und Höhlen zu beschauen. Dieser Abschnitt war auch gut besucht, eigentlich bis zu dem Punkt, wo unsere offline-Navigation uns wegen eines fehlenden Bereichs steil den Berg hochgeführt hat. Kein wirklicher Umweg, aber ab dem Zeitpunkt haben wir auch keinen Menschen mehr gesehen. Das könnte allerdings auch am Nebel gelegen haben. Insgesamt 2380m bergauf und 990m bergab hatten wir zurückzulegen, wenn wir die Nacht beim Regen, der gegen Nachmittag einsetzte, in einer Schutzhütte verbringen wollten. Als wir diese erreichten war es bereits so nebelig, dass wir sie nur mit GPS finden und erst auf 20m Distanz sehen konnten. Ich überlegte noch ernsthaft, dass wir uns die 18€ für das Bett sparen können und die Nacht im Zelt verbringen, aber dann fiel mir wieder ein, dass wir keine Voluntäre mehr sind und ich eigentlich Geld verdiene 😀 Wir haben uns schon krass verrückt gefühlt, weil sich so eine Tour bei dem Wetter niemand antun würde – und in der Tat waren wir auch mit der Gastgeberin die einzigen dort – doch als gegen 10 das Gewitter seinen Höhepunkt erreichte, kam die wöchentlich wechselnde Schicht Ablösung nach 7km Aufstieg angerannt. In dünnem Pulli, kurzer Hose und so durchgefroren, dass sofort das Wasser für die Dusche aufgeheizt werden musste. Da habe ich mich in meiner windabweisenden Softshell-Jacke mal richtig gut vorbereitet gefühlt!

Der nächste Morgen versprach leider kaum Besserung. Obwohl unsere Schuhe noch so nass wie am Abend zuvor waren, warteten wir den morgendlichen Regen ab und brachen erst gegen 11 auf. Es war noch immer sehr kalt und grau, aber die Sicht war besser und dank des herbstlichen Wetters manchmal sogar farbenfroh. Als Zwischenziel standen 2 Seen auf der Routenplanung, die zwar kilometerweise ein Umweg zum nächsten Refugio waren, jedoch einen deutlich gangbareren Weg vorzuweisen haben sollten. Der ein oder andere Ausrutscher im Matsch ließ sich leider trotzdem nicht vermeiden. Im nächsten Refugio, das wir nach 530m Auf und 960m Ab bei Nieselregen erreichten, war zu unserem Glück der Kamin an. Zwei andere Wanderer waren mit uns zu Gast. Platz war in der großen Hütte sogar für 50 Leute. Es gab die Möglichkeit zu Essen aber wir entschieden uns selbst zu kochen, um etwas Gewicht loszuwerden.

Am Morgen darauf wurden wir von klarer Sicht überrascht, die wir direkt ausnutzen wollten. Ohne Frühstück im Bauch ging es direkt 600m steil nach oben. Das Terrain wurde steiniger, die Plateaus, die noch grün waren, waren von kleinen Kratern übersäht, die aussahen, als wären die Wasserreservoirs und Tunnel im Berg sehr lebendig. Als dann irgendwann nur noch Stein und Eis zu sehen war, hatten wir glücklicherweise auch endlich eine Höhe erreicht, von der die Sonne zu sehen war. An einer Höhle war ein hübscher Ort für unser Porridge. Ein optimistischer Blick auf die Karte: Ab hier eigentlich keine Steigung mehr und nach 8km dann noch 1000 Höhenmeter nach unten. Doch was auf der Karte wie eine große Ebene aussieht, stellt sich bald als eine ziemlich anstrengende Kletter-Wanderung heraus.

Immer wenn man dachte, man hat einen Gipfel erfolgreich umwandert, kam das nächste Felsental, das durchquert werden wollte. Man kann im 360° Bild oben vielleicht erahnen, wo der Weg weitergeht, um den Gipfel herumzukommen. Von solchen Tälern gab es bestimmt 5 auf dieser „ebenen Strecke“, die vor allem im Schnee sehr schön anzusehen, aber auch nicht ganz ungefährlich war. Nach all den schönen Eindrücken und Sonnenstrahlen war es dann gegen 16 Uhr wieder Zeit für etwas kalte Nässe. Ausgerechnet kurz vor einer winzigen Schutzhütte mit Übernachtungsmöglichkeit wurde der Wind richtig ungemütlich und das Wetter (aus meiner Sicht) unberechenbar. 9km hatten wir erst geschafft, 7 noch vor uns. Ich sah es als ein Zeichen, die Wanderung an der Stelle zu beenden, doch Nelson war optimistisch, vor einem möglichen Sturm wieder unter der Baumgrenze zu sein und bei Sonnenuntergang in der nächsten Unterkunft. So sind wir… Wenn einer sich unsicher fühlt, wird der andere immer noch mutiger. Also ging es weiter. Wenn der Untergrund es zuließ, rannte ich. Ich will nicht sagen, dass ich in den nächsten 2h irgendwas toll fand, aber immerhin haben wir es bis in den Wald geschafft und ab da war die Nässe ohne Wind wieder erträglich. Der Wald war sogar richtig hübsch mit vielen alten Buchen und Unmengen an Pilzen. Die Farben so satt, als hätte ich selbst welche gegessen. Um 19 Uhr waren wir dann endlich in der hübschen Unterkunft im Ranchstil. Hier konnten wir dem Angebot eines warmen Menüs zusammen mit den anderen 4 Gästen nicht widerstehen und haben nichts bereut. Dieser Tag war wohl der längste und (bis jetzt) auch der härteste.

Verwöhnt von der guten Küche am Vortag freuten wir uns schon darauf, dass wir bald durch eine Ortschaft kommen: Posada de Valdeón. Unterwegs gab es wieder reichlich Wald zu bestaunen und viele Bäche, die wir heute nur überqueren mussten, im Gegensatz zu gestern wo der Weg aus Bächen bestand. Da sogar die Überlegung aufkam, nur einen halben Tag zu wandern und in einem Hostel oder im Zelt zu übernachten, waren wir ganz entspannt. Nach einer längeren Pause im Cafe mit Internetempfang, Bocadillos und Tortilla oder Patatas Bravas zu jedem Getränk waren wir jedoch wieder genügend gestärkt für den nächsten Anstieg. Nicht gestärkt genug für 1400 Höhenmeter zur nächsten Hütte, aber zumindest um auf dem Weg dorthin einen schönen Platz zum Zelten zu finden. Nach 15km, 770m Auf- und 890m Abstieg war dieser Tag wahrscheinlich der entspannteste. Den steilen und gut in den Berg integrierten Weg ab Posada konnten wir nichtmals erkennen, als wir direkt davor standen. Kurz vor der Baumgrenze fanden wir etwas flachen Grund für unser Zelt und hatten sogar noch Zeit vor dem Regen, um das Zelt aufzubauen und das Feuer heiß genug zu bekommen. Als Vorspeise gab es einen Steinpilz, Maronen und einen Fliegenpilz für gute Träume. Die chinesische Nudelsuppe haben wir noch auf dem Feuer gekocht, aber wegen des Regens lieber im Zelt gegessen. Da war es endlich, das Freiheitsgefühl! Es ist einfach etwas anderes, wenn man in der Wildnis übernachtet.

Den Anstieg des nächsten Morgens hätten wir uns besser mit einem Frühstück antun sollen. Ziemlich entkräftet kamen wir nach 900 Höhenmetern auf nur 3 km an der Hütte an, die Schokokekse auf der Karte stehen, aber nicht vorrätig hatte! Wir waren dankbar für den Hinweis, dass hier für eine lange Strecke die letzte Wasserquelle auf unserer Route war. Dann machten wir uns auf den steinigen Weg zur Cabaña Verónica, unserer höchsten Übernachtung auf 2300m. Die Gämsen waren in der kargen Landschaft für eine weite Strecke das letzte Anzeichen von Leben. Pünktlich zum Sonnenuntergang erreichten wir den Ort. Es war auch der einzige Ort, an dem es möglich war, auf geradem Untergrund ein Zelt zu stellen. Hier wäre man selbst mit Biwak oder Hängematte für lange aufgeschmissen gewesen. Zum Glück wurden wir nicht eher müde, bis wir unser Ziel erreichten.

Die Cabaña erinnerte von außen stark an eine SciFi Hütte von einem entfernten Wüstenplaneten und von innen an ein beheiztes U-Boot aus dem kalten Krieg. Woher die Wärme und die hohe Luftfeuchtigkeit kam, konnten wir uns nicht erklären, da keiner da war. Doch obwohl das kompakte 3-Stockbett Platz für 6 Personen bieten soll, waren wir uns schnell einig, dass wir das Zelt bevorzugen. Wir kochten und aßen windgeschützt unter einem atemberaubenden Sternenhimmel, in dem bis zum Mondaufgang sogar noch der Komet Tsuchinshan-ATLAS gut sichtbar war.

Nach diesen fantastischen Impressionen haben wir gefühlt alles gesehen und konnten zufrieden absteigen. Bloß 300 Höhenmeter aufwärts und 2400 abwärts trennten uns jetzt noch von dem Hostel in Poncebos, welches *spoiler* geschlossen hatte. Besonders in der ersten Stunde war der „Weg“ recht anspruchsvoll, jedenfalls wiesen darauf die Schilder hin, mit der Anmerkung, dass die Sicherungsseile entfernt werden mussten. Aber für erfahrene MOUNTAINGOATS wie uns, ist das gar kein Problem. Später ging es dann noch am Pico Urriellu, dem populärsten Berg der Region vorbei, der vor allem für Kletterer mit seinen zahlreichen Routen interessant ist. Ab da wurde es wieder grün und um die Bachläufe, denen wir 10km folgten, bedeckte Moos die Steine und die Atmosphäre war paradiesisch.

Eine spontane Unterkunft fanden wir dann zum Glück noch in Las Arenas, wo wir nach einer Käseplatte und einer Grillplatte aus der Region nur noch ins Bett fallen konnten. Wir hatten für den nächsten Tag nur noch eine Mission: Meer!

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