Im Süden: Ankunft in Karachi und Arbeit in Sukkur
Bald ein halbes Jahr war es her, dass ich begonnen habe, mich mental auf diese Geschäftsreise vorzubereiten. Doch bald wurde klar, dass meine Spontanität für diesen Trip etwas auf die Probe gestellt werden musste. Unter anderem wegen eines Deklarierunsfehlers des bestellten Equipments, das im Übrigen bis heute noch im Zoll steckt, verzögerte sich die Reise so lange, bis ich auf eigene Faust mit geliehenem Equipment aufbrach. Immerhin: im März herrschen noch keine 45°C.
Ankunft
Etwa 6 Autostunden von meinem Einsatzort entfernt lande ich in Karachi, der mit 15 Mio. Einwohnern größten Stadt Pakistans. Hier habe ich bereits vor Ankunft ein paar Kontakte über Couchsurfing geknüpft. Eine kleine öffentliche Anfrage für Begleitung in den nahegelegenen Hingol Nationalpark genügte, um ca. 30 Übernachtungsangebote zu bekommen. Das erste Zeichen für die tief in der Kultur verankerte Gastfreundlichkeit veranlasste mich bereits vor Verlassen des Flughafens mitten in der Nacht, meine Hotelreservierung zu stornieren. Mein Gastgeber Naji war mir auf Anhieb sympathisch. Bevor er mich auf eine erste kleine Stadtrundtour und ein typisches Frühstück einlud, mussten wir nämlich noch seinen Cousin nach Hause bringen, der aufgrund eines zu starken Joints nun doch nicht in der Lage war, uns zu begleiten.
Willkommen im modernen Pakistan!?



Später am Tag lernte ich noch weitere Familienangehörige kennen, besonders gut Bruder Safi und Cousin Farrukh, die im gleichen Apartment wohnen. Die Kommunikation auf Englisch ist keine Hürde und kulturelle Unterschiede scheint es auf den ersten Blick nicht zu geben. Religiös ist die Familie wie viele in der Provinz Sindh stärker dem Sufismus zuzuordnen. Mein Eindruck ist, dass diese von hinduistischer Spiritualität geprägte Ausrichtung des Islams weniger konservativ und sehr offen ist. Naji empfiehlt mir trotzdem, das Thema Religion außerhalb seiner Familie nicht anzusprechen, wenn mir mein Kopf lieb ist. Gefragt nach den vielen US-amerikanischen Fastfood Lokalen höre ich den Satz, der lange nachhallt:
„Jeder hier in Pakistan hasst die USA. Zumindest solange, bis er sein Visum bekommt.“
Unter Friedensnobelpreisträger Obama war Pakistan schließlich jahrelang Opfer unzähliger Bombardierungen durch Drohnenangriffe und auch aktuell bricht die Einflussnahme US-amerikanischer Geheimdienste nicht ab, betrachtet man zum Beispiel den politischen Umsturz des beliebten Staatschefs Imran Khan im letzten Jahr. Hier verlinkt, falls es damals unterging.
Eine weitere sehr interessante Persönlichkeit durfte ich mit Shaheen kennenlernen. Die 28-jährige alleinerziehende Mutter einer wundervollen Tochter ist Vorbild für viele junge Frauen in Pakistan. Sie ist sehr gebildet, lässt sich nicht bevormunden, fährt Motorrad und spielt als wahrscheinlich einzige Frau Pakistans die traditionelle Mundharfe, was ihr schon einige Fernsehauftritte ermöglichte. Nicht selbstverständlich, denn aufgewachsen in einem sehr traditionellen Dorf nahe Karachi, musste sie sich diese Privilegien durch viel Willenskraft und Risikobereitschaft erarbeiten.
Während wir sprechen, ist ihr Smartphone sicherheitshalber im Flugmodus. Kurzer Offtopic-Einschub: Es geht auch um die Situation in Balochistan, meinem ursprünglichen Reiseziel. Dass Touristen dort verschleppt werden um Lösegeld zu erpressen ist nicht gelogen. Doch die überwiegend regierungskritische Provinz möchte sich gerne als unabhängigen Staat sehen und erkennt die quasi Militärregierung Pakistans teilweise nicht an, was zu vielen bewaffneten Konflikten führt. Ein Großteil der Verschleppungen sind demnach nicht auf Lösegeldforderungen zurückzuführen, wie die offizielle Version es darstellt, sondern auf Verschleppungen von Regierungskritikern durch Militärs, die schon zu vielen Vermistenfällen geführt haben sollen. Offtopic Ende.
Mit Shaheen unterwegs zu sein ist eine Erfahrung: Jeder Fremde spricht mit ihr, wie mit einer langjährigen Freundin, Bettler an der Straße grüßen sie freundlich im Vorbeifahren, ihr Fahrstil ist im Verkehrschaos auffallend rücksichtsvoll und nicht egoistisch…
Sie hat mir einige ihrer Lieblingsorte gezeigt, wozu auch die Akademie für darstellende Künste zählt. Dort fühlte ich mich sofort wohl, denn gefühlt versammeln sich hier alle Freigeister der Stadt und man vergisst komplett, in einem konservativ-religiösem Land zu sein.




Als Ersatz für den wegen Sicherheitsbedenken untersagten Camping-Trip in den Hingol Nationalpark fuhren wir zu einem Kanalkreuz außerhalb der Stadt und schliefen unter freiem Himmel. Freund Yasir und Tochter Misha begleiteten uns.



Chaukhandi Gräber
An einem traditionellen Friedhof der Sindhi sind wir ebenfalls vorbeigekommen. Die typischen Muster, die sich auch in der Kleidung wiederfinden, sind in den Sandstein auf den Gräbern mit feinster Präzision hineingearbeitet und nehmen Bezug auf das Leben des Verstorbenen.




Sukkkur
Nach all den Eindrücken habe ich mich langsam an die neue Umgebung gewöhnt und es war an der Zeit, nach Sukkur aufzubrechen, wo ich für 2 Wochen in einem Hotel untergebracht wurde um nachts den Solarpark zu untersuchen und Mitarbeiter zu schulen. Tagsüber habe ich hauptsächlich gegessen oder geschlafen, hing viel am Laptop und manchmal auf dem Dach herum. Denn verlassen durfte ich das Hotel ohne Security nicht. Es war einer der vielen Regionen, die für Touristen als nicht sicher eingestuft wurden. Zu hoch das Risiko, entführt oder ausgeraubt zu werden.
Auf meiner ersten Erkundungstour durch die Stadt wurde mir schnell klar, warum alle davon abgeraten haben: Der Weg zum Kanal ging vorbei an vielen kleinen Läden, streundenden Kuhherden und interessierten Bewohnern. Beim Spazieren am Kanal häuften sich warnende Gesten der Passanten. Nach einiger Zeit fühlte ich mich verfolgt und ging wieder in die Stadt, wo hilfsbereite Menschen im Notfall in der Nähe wären. Hier wurde ich allerdings erst recht zur Attraktion, vor allem die 30 Kinder, die mich anfassen, mir Dinge zeigen oder einfach nur erzählen wollten. Was anfangs noch witzig war, wurde nach einiger Zeit bedrängend. Zum Glück konnte einer ein paar Brocken englisch und konnte meinen Wunsch, ab der nächsten Straße wieder allein weiter laufen zu wollen, übersetzen. Inzwischen rief mich auch das Hotel alle 5 Minuten an, wo ich denn bleibe, ich solle sofort zurück kommen. wild… aber nicht der Nervenkitzel, den ich suche.








Arbeit
1,5h außerhalb der Stadt zwischen Dattelplantagen und Wüste gelegen, versteckt sich hinter einer Mauer und gut bewacht der Solarpark, den es zu untersuchen gilt. Details erspare ich mir an der Stelle; nur so viel: es ist der größte Park in dem ich bisher war und außerdem das erste Mal, dass ich ein einachsig nachgeführtes Ost-West Trackersystem in Aktion sehe. Die Messergebnisse aus der Nacht habe ich jeweils am nächsten Tag ausgewertet und hinsichtlich Qualität und Geschwindigkeit so lange optimiert, bis ein Abschluss der Arbeiten in 3-4 Monaten realistisch wird. Ich war froh, dass ich selbst nur 2 Wochen ran muss. Ungewohnt war für mich, dass immer so 5 weitere Personen angestellt wurden, um uns zu helfen. So hatten wir manchmal einen Taschenlampenträger, 2 Aggregatbeauftragte, die am Anfang ein und am Ende ausgeschaltet haben und 2 Steckerbeauftragte, die die Stecker von den Wechselrichtern gelöst und wieder befestigt haben (Über Letzteres habe ich mich am meisten gefreut). Man merkt die geringeren Lohnkosten im Vergleich zu Deutschland.







Die Wachhunde sind noch so jung wie der Park selbst und flößen derzeit noch keinem Modul-Dieb Angst ein. Doch mit den Arbeitslichtern geben sie gute Fotomotive ab. An meinem letzten Tag habe ich den Park endlich im hellen gesehen und bekam außerdem die Gelegenheit, die Umgebung zu erkunden – diesmal in Begleitung von Security, Fahrer und Tourguide.








Freizeit
Ich habe viele nette Mitarbeiter kennengelernt und die Zeit mit ihnen sehr genossen. Fayyaz, Lateef, Mushtaq, Ameen, Nadeem, Ali, Gotam und viele mehr. Sie wohnen gemeinsam in einer Villa-WG mit eigenem Koch und werden von dort in Schichten zur Arbeit gefahren. Am Wochenende sind sie meistens zu Hause. Gegen Ende, es war bereits Ramadan, wurde ich freundlicherweise zum Iftar in die WG eingeladen und war wie Teil des Teams. Dennoch nach Beendigung der Arbeitszeit konnte ich meine Freiheit kaum erwarten. Ich flog in den Norden, weil Bus und Bahn als An- oder Abreise zur Arbeitsstelle aus Sicherheitsgründen nicht infrage kommen. Über die ganz anderen Erlebnisse dort in Islamabad und im Himalaya soll es im zweiten Teil gehen.


Meine letzten 2 Tage vor der Heimreise verbrachte ich wieder in Karachi. Zu meiner großen Freude konnte ich mich hier von allen verabschieden und ein letztes Mal gemeinsam essen, die Nacht durchmachen, beim Versuch Bier zu kaufen, Hasch angedreht bekommen um dann mit den lieb gewonnenen Freunden gemeinsam zu fliegen, bevor ich tatsächlich alleine fliegen muss.












































